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Weil wir jung sind – Was von der Zukunft bleibt
06.02.2021 – 25.04.2021
Ein Ausstellungsprojekt des KuratorInnenkollektivs: Simon Baumgart, Christina Brinkmann, Etienne Dietzel, Paula Schneider und Malte Wandel.
Für das Ausstellungsprojekt »Weil wir jung sind – Was von der Zukunft bleibt« begibt sich das KuratorInnenkollektiv auf eine freie künstlerische Quellenforschung nach Überresten des sozialistischen Kultur- und Arbeitsideals in den verschiedenen Phasen der DDR und der Transformationszeit bis heute. Neben Recherchen in Archiven, Gesprächen mit ZeitzeugInnen und unter Rückgriff auf historische Forschungen sind vor allem die Erkundungen des Terrains rund um den ehemaligen volkseigenen Betrieb Waggonbau Ammendorf Ausgangspunkte für die Konzeption einer Ausstellung. In mehrteiligen Präsentationen, die Spuren dokumentieren und neu zusammenfügen, wird sie auf dem Platz Am Steintor und in dem zu einem Schaukasten umfunktionierten BLECH. Raum für Kunst Halle e.V. in Halle/Saale gezeigt.
Kapitel 1 »Die Bewegung Schreibender Arbeiter« 06.02.2021 bis 19.03.2021
Das erste Ausstellungskapitel »Die Bewegung Schreibender Arbeiter« widmet sich der Geschichte eines der größten Hallenser Industriebetriebe, dem Waggonbau Ammendorf. Ab 1960 leitete die Schriftstellerin Christa Wolf gemeinsam mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Gerhard Wolf, im Waggonbau einen Zirkel Schreibender Arbeiter. Ein Jahr zuvor war auf einer AutorInnenkonferenz in Bitterfeld eine engere Verknüpfung zwischen Werktätigen und KünstlerInnen in der DDR beschlossen worden. Der sogenannte »Bitterfelder Weg« sollte die ArbeiterInnen ermutigen, selbst kulturell tätig zu werden und führte zahlreiche professionelle SchriftstellerInnen in die Betriebe. Anhand der im Ammendorfer Zirkel Schreibender Arbeiter ab den sechziger Jahren entstandenen Literatur und weiterer Quellen werden gesellschaftliche Deutungen von Arbeit und Kultur aufgerufen. Arbeitsideale der DDR werden ebenso thematisiert wie historische Prozesse kultureller Auseinandersetzung mit der eigenen Lebens- und Arbeitswelt. Der Industriebetrieb wurde in der DDR ideell zum sozialen Zentrum und Mittelpunkt kultureller Bildung. Die Trennung zwischen Arbeit, Kultur und Leben, sowie die Entfremdung zwischen ArbeiterInnen, KünstlerInnen und Gesellschaft sollte überwunden werden.
Geboren aus dem Traum, eine neue Schriftstellerkaste aus den Reihen der Arbeiterschaft zu fördern, bietet die „Bewegung Schreibender Arbeiter“ einen paradigmatischen Blick auf die Erfolge und Misserfolge der Versuche, eine sozialistische Kulturrevolution in der DDR umzusetzen. Die abstrakten Lehren der marxistischen Teleologie und die staatlich geförderten Programme schrieben den „Schreibenden Arbeitern“ eine zentrale Stellung in den Bemühungen um die Überwindung der Klassengegensätze, des Bildungsprivilegs und letztlich der Unterscheidung zwischen ArbeiterInnen und Intellektuellen, Kunst und Arbeit zu. William J. Waltz, in: Of Writers and Workers – The Movement of Writing Workers in East Germany, Peter Lang Verlag, Bern, 2018, Klappentext.
Kapitel 2 »Einheit, Arbeit, Wachsamkeit« 19.03.2021 bis 25.04.2021
Auch in der DDR herrschte ab den siebziger Jahren ein Arbeitskräftemangel, vor allem in jenen Branchen, in denen immer weniger Ostdeutsche selbst arbeiten wollten. Daher warb die DDR ab 1975 ArbeiterInnen außerhalb Europas an. Das zweite Ausstellungskapitel »Einheit, Arbeit, Wachsamkeit« wirft mehr als 30 Jahre nach dem Ende der DDR ein Schlaglicht auf das Leben ehemaliger Vertragsarbeiter:innen aus Mosambik. Es zeichnet die Geschichte der Völkerfreundschaft zwischen der DDR und der ehemaligen Volksrepublik Mosambik nach und stellt die Frage, was davon heute noch übrig geblieben ist. Im Verlauf der achtziger Jahre wurden VertragsarbeiterInnen aus der jungen sozialistischen Volksrepublik Mosambik angeworben. Auch im VEB Waggonbau Ammendorf waren bis 1991 über 600 mosambikanische VertragsarbeiterInnen tätig. Der Blick auf ihre Lebenswirklichkeiten wirft Fragen über Ideal und Realität der proklamierten internationalen Solidarität auf: Angeworben mit einem Ausbildungsversprechen sollten sie vor allem kostengünstige Arbeitskräfte sein. Mit zeitlicher Befristung und ohne staatliche Integrationsabsicht wurden die Vertragsarbeiter:innen meist getrennt vom Rest der Bevölkerung in Wohnheimen untergebracht; sie waren schon vor den Pogromen der neunziger Jahre Diskriminierungen und Angriffen ausgesetzt.
Der Zusammenbruch der DDR zeigt, dass von der Idee internationaler Solidarität und Bruderschaft oft nicht viel übrig blieb: Als im Laufe des Herbstes 1989 die Spannungen zwischen Bevölkerung und Staatsmacht zunahmen, wirkte sich dies auch auf das Verhältnis zwischen DDR-Bürgern und Arbeitsmigranten aus. Ausländer wurden zur Projektionsfläche von Angst und Wut und verstärkt als Konkurrenten im Kampf um knappe Ressourcen wahrgenommen. „Wir haben nichts zu verschenken! […] Keinen proletarischen Internationalismus auf Kosten der eigenen Bevölkerung“, hieß es in einer Eingabe aus Waren vom 10. November 1989, dem Tag nach dem Mauerfall. Und ein Bürger aus Radebeul hielt am 5. Dezember 1989 fest: „Es sind jetzt nicht die Zeiten dafür gegenüber Ausländern den Weihnachtsmann zu spielen.“ […] „Wir sind das Volk“ – der Protestruf der Montagsdemonstrationen, der auf die Beseitigung der Diktatur und auf demokratische Reformen in der DDR abzielte und wenig später in der Variante „Wir sind ein Volk“ die deutsche Wiedervereinigung einforderte, dient hier dazu, mit den Parolen der SED von Völkerfreundschaft und internationaler Solidarität zu brechen. Die ausländischen Vertragsarbeiter haben in diesem „Wir“ keinen Platz. Das „Volk“ wird hier nicht (im Sinne der bürgerlichen Revolution) als Souverän benannt, sondern als ethnische Einheit angeführt: Der Volksbegriff wird nicht demokratisch, sondern völkisch verstanden. Im Zuge des Zusammenbruchs des politischen Systems der DDR, der Abwicklung der volkseigenen Betriebe und vor dem Hintergrund eines zunehmend fremdenfeindlichen Klimas, kehrte die überwiegende Mehrheit der Arbeitsmigranten schließlich in ihre Heimatländer zurück. Ann-Judith Rabenschlag, Arbeiten im Bruderland. Arbeitsmigranten in der DDR und ihr Zusammenleben mit der deutschen Bevölkerung, in: Deutschland Archiv, 15.9.2016, Link: www.bpb.de/233678
Das Rechercheprojekt »Weil wir jung sind – Was von der Zukunft bleibt« soll eine Auseinandersetzung anstoßen, die überregionale Phänomene in der lokalen Geschichte und Gegenwart sichtbar macht. Die zweiteilige Ausstellung sucht nach den heute noch vorhandenen materiellen und strukturellen Überresten einer vergangenen Ideologie der Arbeit. Das KuratorInnenkollektiv befragt Menschen, deren Biografien durch Arbeit in der DDR geprägt sind und erforscht die Rolle von Kultur und Migration im Arbeitsalltag der DDR.
gefördert von:
Kunststiftung Sachsen-Anhalt
Stiftung der Saalesparkasse
Hallcube GmbH
Stadt Halle
Quellen:
Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Standort Merseburg
Privatarchiv Sven Frotscher
SchreibART e.V. - Archiv Schreibende ArbeiterInnen
Stadtarchiv Halle
Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek, Dresden
Deutsche Fotothek
Trotz sorgfältiger Recherche ist es uns leider nicht gelungen, alle RechteinhaberInnen ausfindig zu machen. Sollten wir unbeabsichtigt Rechte verletzt haben, bitten wir freundlich darum, das KuratorInnenkollektiv zu kontaktieren. Anregungen, Kritik, Fragen, Hinweise, gerne an: weilwirjungsind@gmx.net
in Kooperation mit:
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